Die Schweiz ist voller Geschichten, Ideen und Inspirationen: Voller Charakterchöpf. Ein Charakterchopf ist jeder auf seine eigene Art und Weise. Es sind Leute wie Sie und ich. Jeder bringt seine Geschichte und seine Ideen mit, die inspirieren und berühren können. Was bewegt unsere Gesellschaft? Was wünschen wir uns? Worin sind wir besonders gut und was können wir noch besser machen? Charakterchöpf lassen uns an ihren Gedanken teilhaben und geben wertvolle Impulse.
Im Mai 2019 teilen uns drei Charakterchöpf offen und ehrlich ihre Gedanken zum Thema «Wo fehlt Vielfalt in der Schweiz? Und wie engagieren Sie sich für mehr Diversity?» mit.
Die Beiträge sind von den Autoren selbst geschrieben, damit ihre Meinung unverfälscht und authentisch präsentiert wird.
Auf Twitter und Facebook kann jetzt für den Charakterchopf des Monats abgestimmt werden:
Jeder Mensch hat seine Passion, seine innere Überzeugung, wieso er sich neben Beruf und Familie auch für die Gesellschaft engagieren möchte. Bei mir ist es die Chancengleichheit. Ich engagiere mich mit grosser Freude und Überzeugung bei den Business and Professional Women BPW Switzerland und bei der FDP, weil ich mir eine Welt wünsche, in der Frauen und Männer sich im Privatleben, in der Berufswelt und in der Politik auf Augenhöhe begegnen. Für mich stehen Freiheit, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit im Vordergrund - das sind Werte, für die es sich stets zu kämpfen lohnt.
Ich wuchs sehr freiheitlich auf, konnte stets das machen, was ich wollte, wurde unterstützt und gefördert. Genau wegen diesen Privilegien merkte ich rasch, dass es erstens nicht allen Mädchen so ging wie mir und dass es zweitens auch mich anfing zu betreffen. Mit 27 Jahren bemerkte ich an der Hochschule für Wirtschaft, dass die Jungs nach der Ausbildung andere Karrierepläne bekommen als wir Frauen – und nämlich vielversprechendere. Und das obwohl wir Mädels in der Schule eigentlich besser waren. Ich merkte, dass wir Frauen die Familienplanung in der Jobauswahl miteinfliessen lassen und die Jungs nicht wirklich einen Gedanken daran verlieren. Mit der Konsequenz, dass diese Ungleichheit unser Berufsleben massiv beeinflusst. Noch heute haben wir in der Schweiz nur gerade 5 % Frauen in den Chefetagen der Schweizer Unternehmen, rund 12 % Frauen in den Verwaltungsräten und in der Politik nur gerade 30 % Frauen im eidgenössischen Parlament. Frauen verdienen für die gleiche Leistung immer noch nicht den gleichen Lohn und das nicht wegen Teilzeit oder niederer Ausbildung – sondern «nur» weil sie Frauen sind.
Das können und dürfen wir in einem der fortschrittlichsten und innovativsten Länder der Welt so nicht akzeptieren. Die Schweiz kann das besser! Wenn wir als Standort attraktiv bleiben wollen, müssen wir unser Potential bestmöglich nutzen. Denn die Konkurrenz schläft nicht und die Schweiz muss alles daran setzen kompetitiv zu bleiben. Wir brauchen eine Schweiz, in der jede und jeder seine Talente frei entfalten kann. Wir brauchen eine Schweiz, in denen alle gemeinsam, die Schweiz von morgen mitgestalten. Diversität zahlt sich immer aus, ob im Job, zuhause oder in der Politik!
Claudine Esseiva, Politikerin & Partnerin furrerhugi
In den 90er Jahren in Deutschland politisiert, habe ich mich früh verpflichtet, mich konsequent Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus entgegenzustellen und aktiv für Chancengleichheit einzutreten. Neben meinem persönlichen Umfeld ist mein primäres Wirkungsfeld derzeit die Hochschule, an der ich arbeite. Ich bin fest davon überzeugt, dass ein diversitätssensibles und diskriminierungskritisches Studier- und Arbeitsumfeld positive Effekte auf die Zufriedenheit aller Mitglieder der Universität und ihre Bindung an die Hochschule hat. Gerade eine Universität lebt von der Vielfalt ihrer Mitglieder und die mit dieser Vielfalt verbundenen Potenziale. In meinen vielfältigen Funktionen - sei es als Dozentin, Betreuerin, Programmleiterin oder Gutachterin - setze ich mich für eine anerkennende Campuskultur ein, in der ein respektvoller, selbstreflexiver und produktiver Umgang mit Diversität gestärkt wird.
Tina Freyburg, Professorin für Vergleichende Politikwissenschaft an der Universität St. Gallen
Die Schweiz ist unglaublich vielfältig — nur nicht dort wo es wirklich um Macht geht. In den meisten Verwaltungsräten, Geschäftsleitungen und Regierungen fehlt die Vielfalt. Und auch dort, wo die digitale Welt entwickelt wird, wo programmiert wird, was online geht und was eben nicht: wir stellen uns alle den Bilderbuch-Programmierer vor, und die Realität ist nicht weit weg davon. Doch wie soll ein digitales Universum entstehen, das für Frauen und Männer, alte und junge, Homos und Heteros, Alteingesessene und Neuankömmlinge funktioniert, wenn davon nur ein ganz kleiner Teil mit dran bauen kann?
Wie engagiere ich mich für mehr Diversity? Ich gebe machtvolle Positionen an Menschen, die nicht so sind wie ich. Setze Geschäftsleiterinnen ein in meinen Organisationen, Verwaltungsratspräsidentinnen. Ich gebe die Macht ab, die Macht abzugeben.ch. Setze auf neue Formen der Selbstorganisation, in denen entscheidet, wer draus kommt und betroffen ist - nicht wer halt eben oben ist. Ich gebe Vaterschaftsurlaub und allen Teilzeit. Ich führe Powercoders mit, die Programmierschule für Geflüchtete. Ich mache als digitaler Unternehmer Politik, kandidiere für den Nationalrat, damit aus dem digitalen Wandel echter Fortschritt wird für alle. Alle.
Hannes Gassert, Politiker & Mitgründer Liip & opendata.ch
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