Ein strahlender Montag vor dem Radisson Blu Hotel in Andermatt. Noch liegt der Schnee meterhoch in dem Urner Bergdorf. Ein Subaru mit dem Kennzeichen »UR 5000« biegt auf den Parkplatz. Ohne Hektik stellt der Mann am Steuer den Motor ab, greift nach seiner Sonnenbrille und steigt aus. Er ist in sportlicher Kleidung unterwegs, eine bunte Windjacke und etwas klobige Winterschuhe. Zurückhaltend, aber freundlich stellt er sich vor.
Bernhard Russi. Ein Name, der in der Schweiz keiner Vorstellung bedarf. Eigentlich. Im Innern des Hotels unterhält er sich mit dem Personal der Bar. Ob er denn Gast sei, wird er gefragt, da nur solche in der Lounge etwas trinken dürften. »Eigentümer «, erwidert Russi kurz und knapp.
Der Zufall entscheidet mit
Der 72-Jährige blickt auf eine illustre Karriere zurück. 1970 gewinnt der Urner überraschend die Goldmedaille an der WMAbfahrt in Gröden. Nur wenig später steht er an den Olympischen Winterspielen in Sapporo zuoberst auf dem Treppchen, sein wohl grösster Erfolg als Skisportler. Vier Jahre später gewinnt er mit Silber nicht nur eine weitere Olympiamedaille, sondern auch eine tiefe Freundschaft. Obwohl Russi seinem Konkurrenten Franz Klammer knapp unterliegt, gratuliert er ihm noch während seines Jubels aufrichtig. Der Österreicher meint später darüber, er habe »vorher und nachher nie so eine innige Gratulation erleben dürfen«. Die beiden sind auch in ihren Siebzigern noch eng befreundet, Klammer hat in Österreich denselben Legendenstatus wie Russi in der Schweiz.
So schnell wie Russi aufsteigt, entscheidet er sich wieder zum Rücktritt. Nach einer enttäuschenden Leistung in Garmisch- Partenkirchen verkündet er 1978 mit nur 30 Jahren seinen Abschied vom professionellen Sportlerdasein. Eine spontane Entscheidung: »Am Tag, als ich mit Skifahren aufhörte, wusste ich nicht, was ich danach machen sollte«, sagt Russi, während er sich in seinem Loungesessel zurücklehnt. Sein Leben ist auch geprägt von harten Rückschlägen. Da diese aber in der SRF-Dokumentation »Von hohen Gipfeln und dunklen Tälern« eingehend behandelt wurden, liegt der Fokus des Gesprächs auf anderen Themen.
Russi ist keiner, der seine Karriere sorgfältig geplant hat, er trifft viele Entscheidungen aus dem Bauch heraus. So ergibt sich auch seine Tätigkeit für das Schweizer Fernsehen. Er wird Co-Kommentator und Experte für Skirennen. Eine Stelle, die es zuvor noch nie gegeben hat. Später bildet er über Jahrzehnte hinweg ein legendäres Duo mit Matthias Hüppi. Dieser erinnert sich genau an den Moment, als er Russi das erste Mal begegnete. »Er war ein Idol für mich, ich fieberte mit ihm in den Rennen mit. Plötzlich war es so, dass wir als Kollegen zusammenarbeiten. Ich bin dadurch aber nicht in Ehrfurcht erstarrt. Das würde nicht zu ihm oder zu der Art, wie er auftritt, passen.« Zwischen den beiden entwickelt sich eine enge Freundschaft. Über 30 Jahre kommentieren Russi und Hüppi zusammen den Skisport für das Schweizer Fernsehen.
Dabei lernen die beiden Skifanatiker auch sehr viel voneinander. Für Hüppi ist es vor allem Russis ruhige Art, der er viel abgewinnen kann. »Bernhard hat eine ausgeprägte Gelassenheit an den Tag gelegt. Er blieb auch immer ruhig, wenn es Umstände oder Probleme gab, die halt einfach so sind, wie sie sind«, so Hüppi. Russi wiederum bezeichnet Hüppi als seinen professionellen Coach und lernt von ihm viel über das Handwerk beim Fernsehen.