»Flach-Erdler ist auch nur ein anderes Wort für Globalisierungsgegner «, tweetet Satirikerin Patti Basler am 1. April 2021. Darunter Kommentare, die vermuten lassen, dass nicht alle ihre Wortakrobatik verstanden haben. Sie muss aufklären: »Es ist ein reines Wortspiel: Wer darauf besteht, die Erde sei flach und kein Globus, wer also die Kugelwerdung (= Globalisierung) der Erde ablehnt, ist Globalisierungsgegner. Voilà.« Wortspiele, die nicht verstanden werden, bereiten der Linkshänderin wenig Freude, wie sich aus dem angefügten Hashtag schliessen lässt: #WirtspikeErklärenIstDoof.
Menschen, die mit der linken Hand schreiben, vertippen sich schneller als die anderen. Tippe eine Rechtshänderin leicht daneben, erkennen die Touchscreen-Sensoren dennoch den richtigen Buchstaben, erklärt Patti Basler. Links vom O liegt das I und links vom L das K, so wird aus »Wortspiele« »Wirtspike«. In der Hitze des Twitter-Gefechts reicht auch der Kontrollblick nicht, um jeden Fehler aufzuspüren. Das geht nicht spurlos an ihr vorbei. Sie ist eitel und weiss, dass sie korrekt schreiben kann, das Schreiben ist schliesslich ihr Beruf. Dennoch lösche sie solche Posts nicht immer, denn wenn dieser schon zehn Likes bekommen habe, ziehe sie die Reichweite der Orthografie vor. Ein ständiges Abwägen. Man könnte denken, dass zehn Likes für Patti Basler wenig sind. Doch die Online-Community der 45-Jährigen ist im Vergleich zu jüngeren Kulturschaffenden klein. Zu unserem Treffen kommt sie auf ihrem Mountainbike angeradelt. Sie trägt eine grüne Softshelljacke. Ihr Studio befindet sich in einer Fabrikhalle, gleich gegenüber schlängelt sich die Limmat durch Baden. Die Kleinstadt ist ihr Zuhause.
Das Private ist politisch
»Privat habe ich keine Meinung«, schreibt sie selbst über sich und lügt absichtlich. Patti Basler hat eine Meinung. Ein Satz aus der Frauenbewegung der 1970er-Jahre ist wie zugeschnitten auf ihre Arbeit. Das Private ist politisch. Als Künstlerin stellt sie Dinge in den Mittelpunkt, fordert, hinterfragt und provoziert. Die Wortakrobatin mag in ihren Auftritten vielleicht nicht immer offensichtlich über Politik sprechen, zieht aber Schlüsse aus ihrem Alltag und setzt diese gekonnt satirisch in Szene. Das eigene Handeln wird politisch.
Satire sei artverwandt mit dem Journalismus, einfach freier. »Sie darf spiegeln und Sachen aufzeigen, ohne dass sogleich Lösungsvorschläge vorliegen müssen.« Die Wahrheit ist ihr oberstes Gebot. »Schreib hinter das Wort Satire ein V und spiegle es«, so die Rhetorikerin. »Das ergibt ›Veritas‹, die Satire als Spiegelung der Wahrheit.« Sie zwinkert und lehnt sich in ihrem Bürostuhl zurück. »Satire darf wehtun und grenzwertig sein. Heikel wird es, wenn ich beispielsweise Klischees reproduziere, aber selbst nicht betroffen bin.« Sie spricht über Satire wie über ein Rezept – vermische 300 Gramm Grenzwertiges mit 300 Gramm Erfahrungen. »Ich kann problemlos über Sexismus sprechen und Klischees auf uns Frauen anwenden. Schwieriger wird es für mich bei Rassismus.« Den Vorwurf, man dürfe ja nichts mehr sagen, weist sie zurück. Gerade diese Debatte über politische Korrektheit mache Satire einfach. Ein Beispiel: »Diese Süssspeise auf Waffelboden mit Eiweissschaumfüllung und einem Schokoladenmantel. Ich muss das Wort nicht mal aussprechen, und es hat einen satirischen Gehalt.« Das funktioniere nur, weil es eine erhitzte Debatte rund um Schokoküsse gebe. Je enger die Grenzen seien, desto schneller sei etwas mit einem satirischen Gehalt geladen. Patti Basler in ihrem Element, ihre Augen funkeln.
»Die Kolonial-Bezeichnung der Schoko-Eiweiss-Schaum- Süssspeise passt nicht. Da ist ein dunkler Krauskopf abgebildet. Dabei ist der Schokokopf kahl. Skinhead würde besser passen. Man müsste einfach die Farben umkehren. Die weisse Schokolade aussen und die braune Scheisse innen«, schreibt sie am 10. Juni 2020 auf Twitter.
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©Teaserbild: Roland Tännler