Du bist eine kreative Gestalterin und bringst mit deinem Können das Entscheidende auf den Punkt. Inwieweit hilft dir der Blick über den Tellerrand, über die Landesgrenzen hinaus, in deinem Beruf erfolgreich zu sein?
Kreativität unterscheidet uns im Denken, in der Ausdauer und im Ansatz der Lösungsfindung. Biografie und Herkunft spielen dabei eine wichtige Rolle.
2021 haben mich die tragischen Umstände in Afghanistan bewegt. Über Kulturschaffende in den Sozialen Medien habe ich mit der Thematik befasst. Sie eröffneten Bildsprachen, die in unseren Breitengraden nie an mich gedrungen sind. Fernab von der politischen und medialen Berichterstattung erzeugten ihre Stimmen starke Resonanz. Ich konnte mich mit ihnen identifizieren – über geografische, kulturelle und politische Distanzen hinweg.
Wir leben im Zeitalter der Information und Kommunikation. Die Hochwertigkeit und Authentizität von Information und Erkenntnis ist für unsere Gesellschaften und unsere Nachwelt von grosser Bedeutung. Kreativität in ihrer höchsten Form ist Ausdruck von gelebter Kultur, Übermittlungs- und Kommunikationsfähigkeit, verbindend, konstruktiv und schöpferisch.
In welchem Land hast du gelebt - oder welche Erfahrung im Ausland hat dich massgeblich geprägt?
Meine Familie stammt aus der Schweiz und Südosteuropa. Familienteile in der Kindheit in einem tobenden Krieg mitzuerleben, Grosseltern zu verlieren, während man in der Schweiz zum Teenager heranwächst, das löst einen grossen Denkprozess aus. Es verdeutlicht den schmalen Grat zwischen Toleranz und Intoleranz. Das Individuum ist das schwächste Glied in der Kette. Wird es nicht geschützt, werden politische Fronten und Interessen gegeneinander ausgespielt, hat das es keine Chance. Vor solchen Dynamiken habe ich grossen Respekt.
Differenzierung, Sorgfalt, Bildung und Aufklärung halte ich hoch – auch in der medialen Berichterstattung. Informationen, welche die Menschen spalten und gegeneinander polarisieren, kann ich nicht verantworten. Langfristige Erkenntnisse, Aktivierung, Verantwortungsübernahme, Archive, Zusammenhänge, Monitoring – das sind meine Forderungen an eine moderne Gesellschaft für ihren Zusammenhalt und Wissensgewinn.
Kurze Zeit lebte ich für eine Weiterbildung in New York und war begeistert von den Migrationseinflüssen, der Offenheit und Ausgelassenheit der Stadt. Auf Langdistanzen absolvierte ich Marathontrainings und genoss die flirrende Hitze und gelebte Diversität der unterschiedlichsten Stadtteile.
Enge Kontakte und Austausch pflege ich zu Südosteuropa. Ich bewundere die jungen talentierten Menschen und im Speziellen die Frauen, die selbstverständlich Mathematik dozieren und die IT-Branche aktiv mitprägen.
Und auf was hast du dich bei deiner Rückkehr in die Schweiz am meisten gefreut?
Auf meine Familie. Meine Freunde. Mein Arbeitsumfeld. Die vielfältige Natur, die frische Luft, mein Zuhause. Das Trinkwasser, die sauberen Gewässer, die gepflegte Umwelt. Die ausgezeichneten öffentlichen Verkehrsmittel und unsere Infrastruktur.
Welche Perspektive sollte die Schweiz stärker erkennen, im Kontext der internationalen Vernetzung?
Internationale Lösungsfindungen sollten aktiver vorangetrieben werden; fortschrittliche Kommunikation und Informationstransfer basierend auf ihren hochstehenden Institutionen gelebt werden. Die Schweiz soll eine Partnerin mit Forderungen und Visionen sein, die sich auch ausserhalb der Komfortzone bewegt und aktiv Optionen für internationale Perspektiven erarbeitet.
Wie sähe eine Schweiz ohne Europa aus?
Dank ihrer Geschäftstüchtigkeit würde sie Alternativen suchen und finden.
Wie müsste es sein, damit die Schweiz guten Gewissens ein Mitglied der EU sein könnte?
Ihr feines Sensorium für Mitspracherecht und Demokratieanspruch müsste glaubhaft respektiert und mitgetragen werden.
Sind Sie mit dem Kurs der EU grundsätzlich zufrieden? Wo würden Sie nachbessern und warum?
Für internationale Standards, wirtschaftliche Stabilität und politische Sicherheit, Bildungsgleichheit, Arbeitssicherheit, Rechts- und Wertebasis und einer gemeinsamen Zukunftsvision ist die EU und ihre Forderungen wichtig und richtig.
Ziel muss die Schaffung eines Handlungs- und Optionenraums sein, der vollumfänglich verantwortlich handelt und das Individuum und Zivilpersonen gleichgestellt und schützt. Die grossen internationalen Themen müssen mit vereinten Kräften zielführend und langfristig vorangebracht werden. Dafür braucht es noch verstärkt aktive Partner:innen, Bereitschaft und Diskurs.
Fakten sprechen lassen
Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist eines der stärksten Alleinstellungsmerkmale Europas und damit einer der schnellst wachsenden Industriezweige mit einem Beitrag von 4% zum EU BIP und > 7,6 Mio Beschäftigten.
Quelle: https://culture.ec.europa.eu/de/cultural-and-creative-sectors/cultural-and-creative-sectors
SD21 Ambassadors bewegen die Schweiz
Schweizer:innen erkennen Chancen in der Gestaltung unserer Beziehungen mit Europa, wie das Chancenbarometer zeigt. Wir müssen diese aber auch nutzen – mutiger und reformwilliger werden. Dies gelingt nur dann, wenn Dialog stattfindet und auf einen gemeinsamen gesellschaftlichen Konsens gezielt wird.
Dafür brauchen wir Persönlichkeiten, die unseren Horizont erweitern und uns inspirieren können. Wir brauchen SD21-Ambassadors. Regelmässig portraitieren wir Unternehmer:innen, Meinungsmacher:innen, Entscheidungsträger:innen und junge Wilde, die uns einen anderen Blick auf unsere Heimat geben.