Eine der grossen Herausforderungen unserer aktuellen Zeit ist der Arbeits- und Fachkräftemangel. Fühlen Sie sich persönlich betroffen?
Persönlich spüre ich diesen zum Glück heute noch kaum. Höchstens, dass man auf einen Handwerker einmal etwas länger warten muss. Wir wohnen in Basel; in den grösseren Städten hat es z.B. auch noch genügend Ärzt:innen. Etwas besorgt bin ich, wenn ich an meine Zukunft denke: Wenn ich in 20 oder 30 Jahren einmal die Spitex brauche, dann könnte das schwierig werden. Für meine Kinder freue ich mich hingegen. Sie werden sich keine Sorgen machen müssen, keine Arbeitsstelle zu finden.
Wo und wie nehmen Sie den Arbeits- und Fachkräftemangel in Ihrer Position als Geschäftsführer von BSS (Volkswirtschaftliche Beratung in Basel) wahr? Mit welchen Arbeitsmarkt-Fragestellungen gelangen Kund:innen an Sie?
Wir beschäftigen uns inhaltlich seit vielen Jahren mit dem Thema. Vor zehn Jahren war die Frage, welche Branchen eher von Fachkräftemangel betroffen sein könnten. Nur einzelne Branchen wie ICT hatten das Anliegen, dass wir Grundlagen für Strategien zur Gewinnung von Fachkräften erarbeiten. Heute sind praktisch alle Branchen betroffen.
Nachgefragt werden bei uns drei Arten von Dienstleistungen. Erstens quantitative Analysen: Berufs- oder Branchenverbände z.B. möchten das Ausmass des heutigen Fachkräftemangels in ihrer Branche oder in ihrem Berufsfeld quantifiziert haben, oft auch im Vergleich zu anderen Branchen. Das kann nützlich sein, um eine Kampagne zu lancieren, auf das Problem hinzuweisen und Werbung für den Beruf zu machen. Ergänzend wünschen sich viele Kund:innen auch eine Prognose, wie sich die Situation in ihrem Beruf oder ihrer Branche in den nächsten Jahren entwickeln wird. Eine solche Prognose ist z.B. nötig, wenn man sich überlegt, wie gross eine Berufsfachschule sein soll oder wenn es darum geht, die Zahl der Studienplätze für ein Fach zu erhöhen. Jüngst konnten wir so z.B. die Logopädie erfolgreich unterstützen.
Zweitens erarbeiten wir, häufig auf Basis einer quantitativen Grundlage, zusammen mit unseren Kund:innen verschiedene konkrete Massnahmen gegen den Fachkräftemangel. Und drittens analysieren wir, welche Arbeitnehmende Gefahr laufen, künftig ihre Arbeitsmarktfähigkeit zu verlieren. Auf Grundlage einer solchen Analyse können zielorientierte Massnahmen im Bereich der Weiterbildung und Umschulung implementiert werden, die den betroffenen Menschen helfen, ihre Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten. Dies wiederum trägt dazu bei, dass möglichst viele Menschen auch künftig einer Arbeit nachgehen und damit ihren Beitrag gegen den Arbeitskräftemangel leisten.
Welche Chancen sehen Sie persönlich in der aktuellen Zeit?
Wer heute eine Arbeit sucht, der hat das Glück, viele Optionen zu haben. Junge Menschen, die noch vor ihrer Ausbildung stehen, dürfen mit viel Optimismus in die Zukunft blicken und das lernen, was ihnen am meisten Freude macht.
Weiter hoffe ich, dass die jetzige Situation dazu führt, dass wir uns überlegen, wie wir es schaffen, dass die Fachleute, die wir haben, möglichst effizient und nutzenstiftend eingesetzt werden. Wir sollten dabei prüfen, welche Aktivitäten eigentlich unnötig sind, administrative Belastungen reduzieren und unnötige Bürokratie abbauen. Auch könnten wir uns überlegen, wie eine gute Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren hilft, möglichst effizient und gut zu arbeiten.
Welche Rolle spielt Dialog in Ihrem Leben?
Dialog macht mir Freude, inspiriert, ist bereichernd. Und wenn im Dialog gemeinsam über etwas gelacht wird, dann hebt das meine Stimmung ungemein.
SD21 Ambassadors gestalten mit
Das Thema Fachkräftemangel ist generationen- und gesellschaftsübergreifend und darf nicht auf die wirtschaftliche Perspektive beschränkt werden. Auch macht der Fachkräftemangel nicht an den Landesgrenzen halt. Angrenzende Länder, Europa sind genauso betroffen und in unterschiedlichste Überlegungen miteinzubeziehen.
Darum braucht’s inspirierende Persönlichkeiten, die zum Fachkräftemangel etwas zu berichten haben. Wir brauchen SD21-Ambassadors. Regelmässig portraitieren wir Unternehmer:innen, Meinungsmacher:innen, Entscheidungsträger:innen und junge Wilde, die mit ihren Ideen und ihrem Tun unseren Horizont erweitern.