Zukunftscheck 2022: Beziehung Schweiz – Europa. Wie stehts damit? Und welches Chancenpotential verbinden Schweizer:innen mit den Themen des 21. Jahrhunderts?
Am 29. September wandelte sich der SQUARE an der Universität St. Gallen zum regelrechten Melting-Pot. Es trafen Studierende auf Vertreter:innen aus der Wirtschaft, der Wissens- und Bildungslandschaft, aus Politik und aus der Nachbarschaft. Von Jung bis älter. Anlass dazu gaben der Schweizweite Chancentag und die Lancierung des Chancenbarometers 2022. Dieses liefert Antworten auf obige und weitere Fragen rund ums chancenorientierte Denken unserer Bevölkerung im 21. Jahrhundert.
Ein Tag voller Inspiration und Fakten für den geschärften Chancenblick in unsere Zukunft
Das breite und vielseitig interessierte Publikum nutzte die zahlreichen Impulse des Tages für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Chancenblick 2022. Sowohl während den Programmblöcken als auch im persönlichen Austausch am Rande der Chancenlabs und Präsentationen. Dabei standen die optimistisch stimmenden Resultate der empirischen Studie nicht ausschliesslich im Zentrum der Gespräche. Besucher:innen nutzten die Impulse des diesjährige Chancentags sich zu vernetzen und über breite, gesellschaftsrelevante Themen und Fragen zu diskutieren.
Die Schweiz ist reif für eine mutige Politik. Die Schweizer:innen sind bereit für eine mutige Politik
Am Vormittag wurden Medienschaffende über die Kernerkenntnisse der Studie mit Scherpunktthema Schweiz – Europa informiert. Das Chancenbarometer weist aus, dass im Vergleich zum Vorjahr, 9 Prozent mehr Schweizer:innen in den wichtigsten Themen wie Klimakrise, Digitalisierung, Gesundheitssystem und Beziehung zur EU eine grosse Chance sehen. Weiter belegt die Studie, dass klare Optionen für kreative und konstruktive Regelungen der Beziehung Schweiz – EU bestehen und ein aufdatiertes Freizügigkeitsabkommen beim Stimmvolk eine realistische Chance hat, angenommen zu werden.
Chancen sind da, um angepackt und gelebt zu werden
Das Chancenbarometer liefert konkrete Handlungsempfehlungen. Chancenorientiertes Denken erleichtert die konstruktive Debatte über politische Lager hinweg, mit dem Ziel, Lösungen zu erarbeiten und Fortschritte zu erwirken. Ganz im Sinne des proaktiven Geistes der Studie wurde über Mittag beim geselligen Bürger:innen Lunch angeregt diskutiert und auch mal herzlich gelacht. Schön zu beobachten, wie gesellschaftlicher Zusammenhalt sich selbst nährt, wenn die Chance dazu geboten wird.
«Let’s chance!» Vier Experten-Workshops für Studierende und das breite StrategieDialog21 Netzwerk
Michi Wohlleben (Extrembergsteiger), Tina Freyburg (Professorin Vergleichende Politikwissenschaft Universität St. Gallen und Studienleiterin) Diego Hangartner (ETH Pharm.D. & Mentalcoach), Nathaly Bachmann (Leadership Kommunikation) und Werner Augsburger (Sportfunktionär & Unternehmer) luden ihre Chancenlab-Teilnehmer:innen ein, individuelle Chancenthemen zu vertiefen. Auch dieser Teil des Tages führte zu «food for thoughts» und nährte die Gespräche beim Apéro und beim gemeinsamen Znacht, mit welchem der Chancentag feierlich abgerundet wurde.
Davor aber hiess es noch «1x Beziehung, bitte! Pragmatismus statt Ideologie». Unter diesem Titel moderierte Jonas Projer (Chefredaktor NZZ am Sonntag) eine angeregte Paneldiskussion mit Georges Kern (CEO Breitling, HSG-Beirat), Jobst Wagner (Initiant StrategieDialog21 & Unternehmer), Prof. Tina Freyburg (Studienleiterin, Professorin Vergleichende Politikwissenschaft) und Camille Lothe (Präsidentin SVP Stadt Zürich). Zentrale Fragen wie warum es der Schweiz an einer pragmatischen Vorgehensweise mit der EU fehlt und wie man zu mehr Aktion statt Reaktion mit dem wichtigsten Handels- und Friedenspartner kommt, wurden aufgeregt und emotional diskutiert.
Die diesjährige Umfrage zu Europa zeige deutlich, dass die Schweizer Bevölkerung viel offener für eine Neugestaltung der Beziehungen zur EU sei, als die öffentliche Diskussion es vermuten lasse, erklärte Jobst Wagner. Das Scheitern des Rahmenabkommens habe zum Stillstand und stetigen Abbröckeln der Verträge geführt, betonte Tina Freyburg. Stillstand aber sei nie eine gute Handlungsoption. Um die Beziehungen zu Europa neu aufzustellen, brauche es dringend ein aktives Vorgehen. Georges Kern zeigte sich überzeugt, dass der Zeitpunkt für Verhandlungen noch nie so günstig war wie in der momentanen Situation. Die Schweiz brauche optimale Beziehungen zu Europa, um den Wohlstand zu wahren. Umgekehrt aber brauche Europa gerade jetzt, wo es in den eigenen Reihen mit diversen Problemen kämpfe, die Schweiz als soliden Pol.
Es brauche eine Auslegeordnung, die nicht nur die bilateralen Abkommen als Lösung in Betracht ziehe, sondern auch Alternativen wie beispielsweise ein «EU-Mitgliedschaft light» oder andere Optionen, war sich die Mehrheit der Podiumsteilnehmenden ebenfalls einig. Dabei sei es wichtig, die Debatte nicht mit ideologischen Sichtweisen oder Grabenkriegen zu führen, sondern im konstruktiven Miteinander einen gemeinsamen Nenner auszuloten. Die Bevölkerung sei ins Boot zu holen und umfassend über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Möglichkeiten zu orientieren.
Das Publikum beteiligte sich rege an der Diskussion. «Angesichts des aktuellen geopolitischen Wandels ist die Schweiz auf ein starkes und handlungsfähiges Europa angewiesen», erklärte ein Votant. Nun müsse so rasch als möglich ein neues Gremium eingesetzt werden, das die Chancen neu definiere, welche sich mit einer optimalen Beziehung zu Europa eröffneten, lautete ein weiteres Votum.
Ein Resümee zum Chancentag
Die verschiedenen Veranstaltungen des heutigen Tages hätten aufgezeigt, dass Chancendenken funktioniere, so Historiker und Politologe Joseph de Weck, zusammenfassend. Wolle man Herausforderungen erfolgreich angehen und etwas erreichen, sei es unabdingbar, an die Chancen zu glauben. Sowohl beim Debattieren während des Mittagessens als auch in den Ausführungen der Workshops und den engagierten Voten der Paneldiskussion sei deutlich geworden, dass zwar vieles im Argen liege, wir es aber auch selber in der Hand hätten, die Chancen, die sich uns jetzt böten, zu ergreifen und in mutige Taten umzuwandeln. Ein treffender Appell, den die Teilnehmenden des Chancentags mit auf den Heimweg und zurück in ihren Alltag nehmen werden.