Bildung ist nicht „Copy & Paste“, sondern Werte vermitteln und damit Werte schaffen
Vor einigen Jahren, meine Kinder waren Studenten, versuchte ich deren Motivation für die Inhalte (mit väterlich erhobenem Drohfinger) mit folgendem Hinweis zu erhöhen. Pro Schweizer Studienabgänger stehen 100 Chinesische Akademiker und vermutlich noch einmal gleich viele Indische Hochschüler, höchst motiviert Bestleistungen zu erreichen.
Ob diese Motivationsspritze Früchte trug, sei an dieser Stelle offen gelassen. In der Tat aber verlassen heute jedes Jahr gut 7 Millionen junge Chinesinnen und Chinesen die Hochschulen, fast so viele wie die gesamte Schweizer Bevölkerung. Jedes Jahr! Alleine in China!
Schweiz an Spitzenposition trotz der Innovationskraft in China
Gemessen an den Patentanmeldungen (ein internationales Mass für die Innovationskraft), hat sich China inzwischen wenig überraschend an die Weltspitze gesetzt: Mit rund 650'000 Anmeldungen im Jahr 2012 liegt China nun neuerdings vor den USA mit rund 540'000 Patenten. Die Schweiz liegt mit rund 3'000 Patenten im Jahr vergleichsweise weit zurück. Dennoch besetzt die Schweizer Wirtschaft wichtige Nischen, wird regelmässig genannt mit den führenden und produktivsten Industrienationen. Sie belegt erste Plätze in Schlüsseltechnologien und Anwendungen. Die folgende Grafik untermauert die Spitzenposition der Schweiz im Vergleich zu den wettbewerbsfähigsten Ländern.
Das Schweizer Bildungssystem und Wert-Entwicklung als Schlüssel des Erfolgsmodells
Nach meinem Dafürhalten liegt dies - nebst einigen strukturellen Vorteilen - an wesentlichen Bildungsfaktoren, welche das Schweizer System auszeichnen.
1. Das Duale Bildungssystem: Mit dem fest verankerten dualen Bildungssystem und der damit verbundenen sehr guten handwerklichen sowie gewerblichen Ausbildung, verfügen wir über die notwendigen Umsetzungskompetenzen. Das heisst, wir können uns nicht nur etwas ausdenken, wir können auch umsetzen.
2. Das Duale Hochschulsystem: Mit dem ebenfalls dualen Hochschulsystem hat die Bildungslandschaft Schweiz eine weitere Stärke aufzuweisen. Die Kombination von universitären Ausbildungen zusammen mit den Fachhochschulen ermöglicht der Forschung und Wissenschaft, sich um wesentlich breitere Anwendungen zu kümmern und sie zur Reife zu bringen.
3. Werte bilden – Der Weg zur Persönlichkeit: Unsere Ausbildung ist nicht nur auf Stoff und "büffeln" ausgelegt, wir bilden und begleiten junge Menschen auch auf dem Weg in der Entwicklung zu Persönlichkeiten. Die Lehrpläne sehen vor, dass Themen wie Werte, Ethik oder Philosophie erläutert, erklärt, begriffen werden. Dies sind Themen, welche nicht zwingend auf das gewählte Studienziel ausgerichtet sind. Denn Menschen bilden umfasst den Erwerb und die Erweiterung der persönlichen und sozialen Kompetenzen. Junge Menschen und Schüler werden sich so zu aktiven, interessierten und verantwortungsvollen Bürgern entwickeln.
Genau auf diese Elemente und der Wertvermittlung gilt es in der Entwicklung der Bildungslandschaft Schweiz ein besonderes Augenmerk zu richten. Sie sind alle gleichermassen wichtig und ermöglichen es der Schweiz, das zu bleiben, was sie ist: ein Erfolgsmodell.
Die Wirtschaft braucht ganzheitlich denkende und agierende Persönlichkeiten für eine zunehmend komplexe Welt, in welcher Vernetzung von Fachdimensionen wichtiger wird. Maschinen, welche besonders viele Fakten kennen und diese immer wieder abrufen können – sozusagen „copy paste“, sind hilfreich, werden langfristig aber nie genügen.
Die Zukunft - Interaktion, Kooperation und Mensch ist gefragt
Ich bin der Ansicht, dass wir uns mit Blick auf die Akademikerschwemmen in den Schwellenländern vermehrt auf die Interaktion von Technologie, Natur und Mensch fokussieren sollten, eine Fähigkeit, die so schnell nicht kopiert werden kann. Dies erfordert aber einen bewussteren Umgang und eine gezielte Kooperation zwischen den verschiedenen Studiengängen sowie einen Fokus auf die weitere Entwicklung der liberalen Grundwerte.
Ach ja – ich bin stolzer Vater von drei mittlerweile erwachsenen Kindern und jedes hat seinen eigenen Weg geschafft, trotz – der wegen? – Aller Ermahnungen.