Kürzlich wurde ich von der Handelskammer CH-BE-LUX zu einer Buchvernissage in Luxemburg eingeladen. Der Titel des Buchs, das an dieser Abendveranstaltung vorgestellt wurde, lautete "La Suisse – Pays le plus heureux du monde". Vor wenigen Tagen wurde die Schweiz zudem zum zweitglücklichsten Land der Welt gekürt. In einem gewissen Kontrast hierzu stand die Einladung der Stiftung "Strategiedialog21" zur Abenddebatte am 29. Februar 2016 über das Thema "Image der Schweiz im Ausland – vom Heidiland zur Trutzburg?".
Das Konzept der Diskussionsveranstaltungen des Strategiedialogs21 besteht darin, dass an verschiedenen Tischen, welche je mit Vertretern verschiedener "Zünfte" (Politik, Medien, Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft) in der altehrwürdigen Grande Sociétée besetzt werden, ein bestimmtes Thema diskutiert wird und die Ergebnisse anhand eines vorgegebenen Fragenrasters zusammengefasst und am Ende der Veranstaltung vom ehemaligen Chefredaktor der NZZ, Markus Spillmann, vorgestellt werden. Diese Vorgehensweise bewährte sich auch an diesem besagten Abend. Es wurde sehr angeregt diskutiert und das Ergebnis ergab, allerdings wenig überraschend, dass das Bild der Schweiz nicht ganz demjenigen entspricht, das vom Titel des eingangs erwähnten Buch und vom Ranking der Columbia Universität suggeriert wird.
An den einzelnen Tischen wurden zunächst die Stärken und Schwächen der Schweiz nicht nur aus Schweizer Perspektive, sondern auch aus der Sicht des Auslands diskutiert. Mehr oder weniger einig war man sich über die Stärken der Schweiz aus Schweizer Sicht. Die Bildung und das politische System wurden dabei besonders hervorgehoben. Etwas weniger klar waren die Tischdiskussionen aber bei der Definition der Schwächen der Schweiz. Aus Schweizer Perspektive wurden etwa das hohe Lohn- und Preisniveau sowie die Überregulierung genannt, aber auch die fehlende Industriepolitik und – interessant – Selbstüberschätzung, Angst vor Exzellenz und "Konsensfetischismus". Die Sicht des Auslands punkto Stärken und Schwächen wurde so zusammengefasst, dass neben der Rechtssicherheit und der politischen Stabilität auch das Schweizer Qualitätsbewusstsein, die Sprachenvielfalt, Anzahl Fachkräfte und die humanitäre Tätigkeit als Stärken genannt wurden, währendem die Schweizer im Ausland auf der anderen Seite aber auch als arrogant und überheblich, egoistisch (Rosinenpicker), unsolidarisch und zu wirtschaftsorientiert (Minder-Initiative, Steuersystem) wahrgenommen werden.
Zusammenfassend war man sich einig, dass das Image der Schweiz insbesondere in Europa erhebliche Kratzer abbekommen hat. Obwohl die Schweiz insgesamt aus Sicht der Teilnehmer der Diskussionsveranstaltung immer noch gut dasteht, empfehlen die Tische zur Imageverbesserung ein offeneres und konstruktiveres Auftreten einerseits, aber auch das Festhalten an den Werten der Schweiz, wobei diese besser erklärt werden sollten, damit die Akzeptanz dieser Schweizer Werte erhöht werden kann. Stärkung der Innovation wurde sodann ebenso genannt wie die Beibehaltung der Möglichkeit, im Ausland Erfahrungen im Berufs- und Bildungsbereich zu sammeln.
Die Ergebnisse des Strategiedialog21-Anlasses vom 29. Februar 2016 zeigen einmal mehr, dass solche Diskussionen äusserst wertvoll sind. Die Schweiz ist kein "Selbstläufer" (mehr). Es scheint vielmehr, dass wir für Arroganz und Überheblichkeit, welche von gewissen Kreisen in der Vergangenheit ausgestrahlt wurden, heute zumindest vereinzelt büssen. Die an den Tischen geäusserte Selbstkritik und der Aufruf zur Rückbesinnung auf typisch schweizerische Qualität, Sachverstand, Bescheidenheit und traditionelle Werte stimmen aber zuversichtlich - sofern wir uns alle dafür engagieren.