Jeder, der sich für Energiewirtschaft und insbesondere für Elektrizitätswirtschaft interessiert, weiss, dass die Zeiten der Autarkie der Schweiz in der Elektrizitätswirtschaft längst vorbei sind – sofern sie überhaupt jemals bestanden. Es ist nicht eine Frage, ob wir gesamthaft genügend Strom selbst produzieren, um den Verbrauch gesamthaft zu decken. Und auch nicht eine Frage des saisonalen Ausgleichs von Produktion und Verbrauch. Nein, unsere Elektrizitätswirtschaft ist bereits heute eng mit dem europäischen Umfeld vernetzt und gleicht über ihre Verbindungsleitungen minütlich Frequenz-, Produktions- und Verbrauchsschwankungen aus. Die nachfolgende Grafik, die in einer Broschüre von swissgrid publiziert wurde, zeigt das Volumen der Importe, Exporte und des Transits im Jahr 2012.
Ein Stromabkommen mit der EU ist deshalb bloss logische Konsequenz der bereits in Realität existierenden Vernetzung. Unsere Elektrizitätswirtschaft hat wegen der faktischen Verflechtung mit der EU sogar ein eminentes Interesse an einer Liberalisierung des Strommarktes, soweit dieser noch als Markt bezeichnet werden kann.
Logische Konsequenz aus der faktischen Verflechtung mit der EU ist ferner auch, dass die Schweiz sehr genau überlegen muss, wo sie allenfalls mit Subventionen und Regulierungen die sogenannte Energiewende steuern will. Es hat keinen Sinn, in Subventions- und Regulierungskonkurrenz mit der EU, insbesondere mit Deutschland zu treten, um beispielsweise die Fotovoltaik zu fördern: der Schweizer Beitrag wird immer marginal bleiben, koste er, was er wolle. Und es sei nochmals erwähnt: die Produktionsunabhängigkeit ist ohnehin eine Illusion. Lassen wir doch die Deutschen die Fotovoltaik fördern und uns deren Strom zeitweise billig bis gratis liefern. Dafür könnten wir unsere Mittel darauf konzentrieren, Massnahmen zu fördern, die nachweislich den grössten Energiespareffekt aufweisen - allerdings nicht beim Strom sondern bei den fossilen Energien - und die von uns Schweizern selbst zu finanzieren sind. Ich spreche von der Isolierung und energiewirtschaftlichen Optimierung von Gebäuden.
Ich glaube, dass wir Schweizer generell dazu neigen, uns, unsere Macht und unseren Einfluss zu überschätzen. Ausgerechnet diejenigen, welche die «offene» Schweiz beschwören, denken national und rufen nach eigenständigen Lösungen. Dabei ist das Wunschdenken der Energienationalisten im Falle der Energiewirtschaft längst von Tatsachen überholt, die auch nicht allen gefallen, aber zumindest zur Kenntnis genommen werden sollten.