Ich weiss, es ist ziemlich polemisch und voreingenommen, also für einen Demokraten eigentlich verboten (weil dieser dem Gegner natürlich niemals eine verdeckte Agenda unterstellen würde). Doch ich kann mir nicht helfen: Die sogenannte Ecopop-Initiative ist für mich ein grosser Etikettenschwindel und ein trojanisches Pferd dazu. Sie ist vielleicht Pop, aber höchstens oberflächlich ökologisch. Denn vor allem ist sie dies: eine Aktion gegen das, was man für „Überfremdung“ hält.
Es gehe ihr um die „Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen“. Tönt gut, bloss: Was ist noch „natürlich“ in einer Zivilisation, in der längst ALLES von Technik, Kultur und bewusstem menschlichen Eingreifen geprägt ist?
In unserer Welt, die bis in ihre hintersten Winkel von dem beherrscht wird, was in den letzten fünfhundert Jahren aus wissenschaftlichem Fortschritt, industriellem Fleiss und menschlichem Veränderungswillen (der von sehr verschiedenen Motiven getrieben ist) erwuchs, kann es etwas wahrhaft Natürliches gar nicht mehr geben. Denn die angeblich ursprüngliche Natur, die uns gegeben wie am ersten Tag der Schöpfung erscheinen soll, ist in dem, was sie ist, allein aus dem Gegensatz zu dem zu bestimmen, was sich unmittelbar menschlichem Tun verdankt. Wasser zum Beispiel ist nicht einfach da, sondern „knappes Gut“ wie die Luft auch; Grund und Boden sind deshalb kostbar, weil sie im Verhältnis zu Humanbedürfnissen stehen usw. Gewiss, das darf einen nervös und besorgt machen.
Widmen wir uns der wahren Frage
Es ist richtig und dringend, dass wir darüber nachdenken, wie wir Zauberlehrlinge der eigenen Evolution jene Kräfte und Tendenzen noch zu meistern vermögen, die stets von neuem beängstigende Selbstläufigkeiten und autopoietische Dynamiken entfesseln. Ein schlichtes „Zurück zur Natur“ ist hier jedoch verstellt. „Die“ Natur gibt es nämlich nicht mehr.
Und genau das meine ich mit „Etikettenschwindel“:
Wer die sogenannt „natürlichen“ Ressourcen schützen will, kann das nur unter Einsatz jener Mittel tun, die auch Kultur und Zivilisation begründet haben. Also mithilfe von Erkenntnis, Technik, Gesetzen und Institutionen. Das heisst: Man braucht technologische Innovationen plus regulatorische Massnahmen, sollen Wasser, Boden, Luft und Rohstoffvorräte in nachhaltiger Weise geschützt und genutzt werden. Nötig sind Raumplanung, Effizienzverbesserungen, Energiesteuern, ein verhaltenswirksamer Wertewandel usw. Und die unvermeidlichen Konsequenzen solcher Eingriffe in den bisherigen Lauf der Dinge sind komplizierte, vernetzte und vor allem auch für uns Ansässige schmerzhafte Zumutungen. Mühsame Sachen also.
„Ecopop“ verspricht dagegen die einfache Lösung der Immigrationsschleusen: Weniger Menschen im Land, ergo weniger Wachstum, ergo mehr Wasser, Boden, Luft und Wärme für die, die schon da sind. Die Initiative verwandelt das tatsächlich gewaltige Problem, wie eine auf quantitatives Wachstum geeichte Gesellschaft an der Selbstzerstörung zu hindern ist, in ein nationalstaatliches Demographieprogramm. Womit ich beim zweiten Punkt bin:
Die Forderung: Nach dem hoffentlichen Nein vom 30.11.14 gilt es weiterdiskutieren. Lösungen aufzeigen.
Massenwirksam und erfolgreich kann solche Politik der Problemverschiebung nämlich nur dann sein, wenn sich ihr Simplifizierungsversprechen mit leicht abrufbaren, sozialpsychologisch tief verankerten Kollektivmechanismen verbindet. Exakt so funktioniert allemal die kollektive Reaktion auf den Überfremdungsreiz: Ansässigengruppen antworten ab einer gewissen Schwelle von Zuwanderung sozusagen automatisch mit Abwehr und Ausgrenzungsansprüchen; mit der mobilisierbaren Furcht vor „Überfremdung“ eben. – „Ecopop“ ist das trojanische Ross der nur allzu rasch entflammbaren Fremdenangst.
Damit ist das Thema allerdings nicht erledigt, sondern lediglich beim richtigen Namen genannt. Also soweit auf den Begriff gebracht, dass man es als fairer Demokrat angemessen diskutieren könnte. Aber das ist ein neuer (oder besser: sehr vertrauter) Gegenstand. Mit ihm haben wir uns jedenfalls auch dann noch zu beschäftigen, wenn „Ecopop“ am 30.11.2014, so circa gegen 18.00, abgelehnt sein wird...