In der Schweiz wird viel über unsere Rolle in Europa und in der Welt, über die Bedeutung geschichtlicher Ereignisse, über Integration und über die „Ausländer_innen“ gesprochen. Diese Themen beeinflussen unser Bild von dem, was wir als Schweizer Identität bezeichnen. Aber gibt es diese eine Schweizer Identität wirklich? Und wenn ja, was beinhaltet sie?

Was Schweizer Identität ausmacht, bleibt in unseren Diskussionen seltsam vage und abstrakt. Spricht man Leute darauf an, erfolgt oft ein Bezug auf so genannte Schweizer Werte sowie stereotype Bilder und Eigenschaften. Nicht selten erfolgt auch eine Distanzierung von diesen Bildern – alle kennen den „typischen Schweizer“, aber wer will ihn verkörpern?

Der Diskurs über Schweizer Identität wurde lange vom Begriff des „Sonderfalls Schweiz“ geprägt. Basierend darauf wurde für einen Sonderweg und den Erhalt von Privilegien sowie gegen die Mitarbeit in internationalen Organisationen argumentiert. Idealisierung, Abgrenzung und Exklusion sind zentrale Bestandteile dieser Argumentationslinie.
In den 1990er Jahren entstand ein neuer Begriff, welcher die Debatte zu prägen begann: „Swissness“ sollte als Marke positioniert werden, die Bezug nahm auf Werte wie Zuverlässigkeit und Qualität, die mit der Schweiz (und ihren Produkten) in Verbindung gebracht wurde. Mit der Zeit wurde dieser Begriff allgemein übernommen: Swissness wurde „hip“.

Durch die Globalisierung und durch offenere Rollenbilder ist die Bandbreite, wie man sich mit der Schweiz identifizieren kann, zweifellos grösser geworden. Dennoch bleibt der Begriff vage und er wird hitzig und kontrovers diskutiert.

Aufgrund dieser Beobachtungen konstatiert das National Coalition Building Institute NCBI (www.ncbi.ch), eine parteipolitisch und konfessionell neutrale NGO, die sich für den Abbau von Vorurteilen und Gewalt einsetzt, Diskussionsbedarf zur Förderung eines zeitgemässen Begriffs der Schweizer Identität. In dieser Debatte sollen möglichst vielfältige Perspektiven zu Wort kommen. Dabei geht NCBI aus von den folgenden Thesen:

1.         Identität ist dynamisch

Was in der Schweiz und in der Welt geschieht, beeinflusst unsere Selbstwahrnehmung. Aus diesem Grund muss Identität stets angepasst und neu definiert werden. Identität ist dynamisch. Sie entwickelt sich ständig weiter. Wem diese Dynamik Angst macht, fühlt sich durch Veränderungen überfordert. Daraus kann eine Tendenz entstehen, an nostalgischen Idealbildern festzuhalten und sich durch Abgrenzung zu definieren.

2.             Schweizer Identität war schon immer pluralistisch

Die Schweiz ist in mehrfacher Weise ein sehr vielfältiges Land. Schweizer Identität ist im Kern vielfältig. Wir sprechen deshalb von Schweizer Identitäten und gehen davon aus, dass uns dies in Zeiten der Globalisierung und der Veränderung als Ressource dienen kann.

3.         Identität nicht zur Ausgrenzung benutzen

Identität schliesst ein oder aus. So schafft sie Trennungslinien und damit ein „wir“ und ein „ihr“. Ein zeitgemässer Umgang mit Schweizer Identitäten versucht nicht, Grenzen zu definieren – und schon gar nicht, sie zu bewerten. Vielmehr wollen wir dazu ermutigen, sich mit den eigenen Identitätsvorstellungen auseinanderzusetzen.

4.         Unser positiver Bezug zur Schweizer Identität ist wichtig

Wer sich unsicher, überfordert oder bedroht in der eigenen Identität fühlt, sucht leicht die Abgrenzung oder Sündenböcke, um dies zu kompensieren. Wer sich mit seinen eigenen Identitäten wohl fühlt, muss nicht andere pauschalisierend abwerten. Dies hilft dabei, Brücken - echte, tragfähige Beziehungen von Mensch zu Mensch - zwischen verschiedenen Gruppen aufzubauen.

Entwickeln wir zusammen zeitgemässe Schweizer Identitäten!

Es ist ein Privileg der Mehrheit, sich mit der eigenen Identität nicht auseinandersetzen zu müssen. Als Angehörige_r einer Minderheit im öffentlichen Fokus hingegen kann man einer Auseinandersetzung damit nicht entgehen. Diese fehlende Auseinandersetzung der Mehrheit mit der eigenen Identität führt zu einem wenig differenzierten Selbstbild.

Um diese Debatte zu unterstützen, hat NCBI das Projekt „iCH. Ich bin ein Teil der Schweiz“ (http://projekt-i.ch) lanciert, in dem zusammen mit Partnerorganisationen lokale Ausstellungen zum Thema „Schweizer Identitäten“ organisiert werden.
Eine erste Ausstellung findet noch bis am 20. September auf dem Rütli (http://projekt-i.ch/ruetli) statt. Weitere sind in Planung!

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